Was ich mir noch zu beweisen habe

Was hatte ich Respekt vor so vielen Leuten in Englisch einen Vortrag zu halten. Ich bin wegen dieser Sprache vom Gymnasium geflogen, habe es gehasst, das alles anders klingt als es geschrieben wird, und war froh, vor der Klasse nichts sagen zu müssen, weil meine Aussprache so grottig war.

Aber als mir jetzt jemand anbot den Vortrag zu übernehmen und anstatt meiner auf der Bühne zu stehen, habe ich abgelehnt, in einer Mischung aus gekränkter Eitelkeit und dem Drang es mir selbst zu beweisen. Und dieser Drang ist grösser als es mir oft angenehm ist, denn er ist es, der mich am Wochenende nicht entspannt über den See gleiten läßt, sondern mich antreibt möglichst schnell im Kreis zu segeln. Ich liebe das Regattasegeln keine Frage, aber es bleibt nun so aus der Distanz die Frage: warum mache ich das alles? Wettbewerbe, Karierrestreben, Anerkennung suchen.

Ich übte den Vortrag vor Pinky und der Familie, übte vor mir selbst und stand dann doch mit schweissnassen Händen vor 150 Amerikanern und mit fünf Chefs im Rücken an einem Podium. Im Vorfeld hatte ich noch mit einem der Chefs eine Meinungsverschiedenheit gehabt, was den Stresslevel nicht reduziert hat. Der Vortrag lief gut, aber danach erinnerte ich mich an einen Rat einer Freundin, den sie mir gab, als ich ihr sagte, mit ein Grund nach Amerika zu gehen, sei es, hier aus dem Alltagsstress rauszukommen. Sie bemerkte: „Pass dann aber auch auf, dass Du dir dort dann keinen Stress selbst machst.“ Die Gute kennt mich und so sagte ich mir mit so einer Art Vorsatz, mein Fokus muss wieder mehr meiner Muse gewidmet werden, ich muss wieder mit dem Fotografieren anfangen.

Die ersten Gehversuche habe ich ja in meinem letzten Blog gepostet, aber so allein vor mich hin zu fotografieren, war mir zu langweilig. Wie auch schon geschrieben, bin ich der Meinung dem Ridgewood Camera Club entwachsen zu sein und die Meetup Groups, wo sich Interessierte zum gemeinsamen Fotografieren treffen, haben mich auch nicht angesprochen. Nach all den Fotokursen, die ich in meinem Leben schon gemacht habe, war ich der Meinung das brauche ich nicht mehr, bis ich dann auf das Programm des International Centers of Photography gestoßen bin.

Der Titel „Advanced Street Photography: Finding your own voice.“ sprach mich an wie eine Schlagzeile in der Bildzeitung. Klingt doch schön, mit einem Hauch von einer Selbstfindungstheraphie und das Mitten in NYC 42 Strasse 6th Ave. Endlich wieder die eigene Mitte spüren, inne halten und etwas Kreatives machen, nachdem die Häkelphase etwas abgeklungen ist.

Aber so einfach anmelden ging aber nicht. Man muss erstmal ein Portfolio abgeben und wird dann beurteilt, ob man in Klasse passt. Das ist mir nicht neu, aber es bleibt die Verunsicherung: was macht das mit mir, wenn ich da nicht reinkomme. Als dann die Zusage mit den Worten kam, sie sind mehr als froh mich anzunehmen, war das Selbstbewusstsein wieder gross und ich ging mit ein paar Fotos in einem Karton zu meiner ersten Stunde.

Ich war zu spät, fand das Klo vorher nicht und stolperte in die Klasse. Der Dozent bat mich meine Bilder aufzuhängen und dann würden mir mit der Vorstellungsrunde beginnen. Mit einem Blick auf die anderen Bilder, wurde mir schnell klar, dass hier die große bunte Stadt gnadenlos zuschlägt. Hier wo die Strassenmusiker zu YouTube Stars werden, hier wo sich alle Kreativität konzentriert und kein Traum zu unrealistisch zu sein scheint. Ein pensioniert Psychologe, der Menschen auf der Strasse und im Museum so fotografiert hat, als wären sie aus Wachs modelliert. Der andere Rentner, der mit seinen abstrakten Schaufenster Reflexionen bald in einer Galerie in Chelsea ausstellt, zwei Profis die Fotografie studiert haben, eine Hornbläserin von der New Yorker Oper und und und… mit wunderschönen Serien, wo ich mich frage, was die in diesem Kurs machen.

Die holen sich Inspiration vom Meister: Natan Dvir

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Und da saß ich dann mit meinen postkartengroßen Bildern, die Muße war weg, alles war auch ein wenig hektisch, der Meister etwas nervös und temperamentvoll. New York, warum bist Du immer so grell, laut und ruhelos? Jetzt will ich hier natürlich nicht abloosen und der Erfolgsdruck steigt, wie zwei Minuten vor Startschuss bei der einer Regatta. Sucht die Herausforderung mich oder ich die Herausforderung? Und wenn Muße etwas nicht abkann, dann ist es Druck. Mal sehen wie sie mit Verzweiflung zurecht kommt.

_MG_1566Die Hausaufgabe war bei Nacht am Times Square zu fotografieren. Da treffen wir uns auch am nächsten Donnerstag. Am Samstag habe ich meine ersten Gehversuche gemacht und so fotografiert wie ich gerade tackte. Der Auslöser macht langsam klack, klack und die Stadt macht wusch…

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Mit einem vergangenem Feuerwerk ins neue Jahr

NYC1997 39In der Pause zwischen den Jahren beschäftige ich mich inzwischen aus Tradition mit den IT-Problemen zuhause. Meine Eltern lösen ihre zum Glück selbständig und jetzt bin ich ja auch zu weit weg:) Dieses Jahr habe ich mit der Installation von Photoshop beschäftig und dann meine alten Dias eingescannt.

Untitled (3) (2) copyNun kann ich auch beginnen, die alten Geschichten von damals zu erzählen und fotografisch zu untermalen. Als ich 1997 hier ankam und stellte mir mein Vormieter, meiner neuen Einliegerwohnung in Westwood, NJ, erstmal mein Auto vor. Ich hatte das 80iger Jahre Vehikel schon in Deutschland für $1500 gekauft und nur auf einem Bild gesehen. Sah super aus; es war ein rotes Cabrio mit weissem Verdeck und weissen Kunstoffledersitzen. Deutlich cooler als mein goldener Opel Ancona C in Königsbrunn.

Die Realität sah dann etwas anders aus. Erstmal flickte der Vorpraktikant den Ansaugtrakt mit Alufolie, was mich sehr missmutig werden liess. Ich wollte das Auto schon zurückgeben, denn der Lack war ebenfalls stumpf und das Verdeck war undicht. Ich behielt es aber und das war gut so. So sehr ich auch all die dicken und schicken BMWs liebe, die ich hier fahren darf, kein Auto wird mir so viel Freude und Thrill bieten wie dieses. Es war mein Gotham-Mobil: es hatte wunderbare Eigenschaften, statt dass der Reifen in einem Schlagloch nachgab, hat sich die Karosserie so verwunden, dass die Türen im geschlossenem Zustand quietschten. Das Dach war zwar undicht, aber dafür war hinten rechts das Bodenblech durchgerostet, wodurch das Wasser sofort abfloss. Beim Einsteigen hinderte der Teppich einem am Durchbrechen zur Strasse und gab einem eine Art Hängemattenfeeling beim Mitfahren. Und schon viele haben am Time Square eine Show abzogen, aber als mir mit Freunden hier der Auspuff durchgerostet runterfiel und kreischend Funken am Boden zog, blockierte ich eine Fahrspur, zog mein Hemd aus, robbte im Feinrippunterhemdt unter das Auto und band den Auspuff mit einem Stück Draht wieder nach oben. Alle Touristenkameras waren auf mich gerichtet, wie ich da schmutzig unterm Auto wieder auskroch und stolz verkündetet: „I fixed it!“

Im Hollandtunnel wurde ich angesprochen, dass mein Hinterrad bedenklich Luft verliert. Ich schaffte es bis NJ, aber beim Aufpumpen ging das Ventil kaputt und ich hatte gar keine Luft mehr im Reifen. Das waren Abenteuer. Ich bin dann glaube ich mit einem Reserve Reifen weiter gefahren.

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Ein Erlebnis war aber dann doch ein bisschen sehr aufregend: Tobias und ich fuhren mit einer Freundin in der alten Mühle nach Boston. Diese wohnte in Manhattan und musste auf dem Heimweg bevor wir uns in unseren Vorort nach NJ zur Ruhe betteten nach Hause gebracht werden. Es war schon spät in der Nacht und der Tank war schon bedenklich leer als wir sie absetzten, aber Tanken war in NJ deutlich billiger und wir wollten in NY nicht mehr nach einer Tanke suchen. Der Zeiger war zwar schon auf Null gesunken, die gelbe Reserveleuchte war aber noch nicht angegangen. Die kam eigentlich sonst schon bei 20% Tankfüllung. Mit 24 ist man noch Optimist und ich war der Meinung das reicht noch bis über die George Washington Bridge.

Hat es aber nicht – mitten auf den Hudson River Drive, einem dreispurigen Highway am Rande der City, ging uns dann auf Höhe Harlem der Sprit aus. In meiner Panik habe ich bei meinem Dreigangautomaten versucht die Kupplung zu drücken. Dies führte zu einer Vollbremsung, da natürlich voll auf Bremspedal tappte, wobei uns der Hintermann fast draufgefahren wäre. Der hat sich wahnsinnig aufgeregt und uns beschimpft, was wir für Vollidioten wären. Wir erklärten ihm verzweifelt unsere Lage und der gute Mann ist dann mit Tobi Sprit holen gefahren.

Da stand ich nun allein auf dem Highway ohne Standspur, habe das Licht ausgemacht und nur noch den Warnblinker eingeschaltet, denn die Batterie war auch nicht mehr die Beste. Wir standen in einer Kurve und der Verkehr war dicht und schnell, sodass ich mich aus Sicherheitsgründen hinter einer Leitplanke verbarrikadierte. Warndreieck gab es keines und Winken half bei der Dunkelheit auch nicht, um den Verkehr zu warnen. Es bildete sich zum Glück schnell ein Stau, sodass nicht mehr so gefährlich war. Tobias und der Helfer kam mit einer großen Wasserflasche voll Benzin an, allerdings ohne Einfüllstutzen. Wie bekommt man ohne Rüssel Benzin in den Tank? In der Not wurde ich erfinderisch und machte mit einer alten Zeitung einen Trichter und stieß mit dem Zeigefinger das Tankventil durch. 80% landeten im Tank, 20% liefen über meinen Arm und die Karosse. Zum Glück entzündete sich nix am Auspuff…

Wir waren dann echt mit den Nerven fertig und wollten nur noch weiter. Wir orgelten einmal, zweimal,… zehnmal – nix ging und die Batterie war schließlich am Ende. Jetzt wurde es echt eng. Was wenn wir hier nicht mehr wegkommen? Ich gab der leeren Batterie eine Pause und startete noch einmal. Das alte Chrysler LeBaron Cabrio sprang beim letztmöglichen Startversuch an und wir fuhren auf einen Adrenalin High über die George Washington Bridge in Richtung Tankstelle. Am Rande des Highways hatte die Ironie des Schicksals ein Schild aufgestellt auf dem stand: „Don’t Drive to the last Drop“. Stimmt wirklich, fragt den Tobias. Wir ließen das Auto laufen, tankten voll und dankten dem lieben Gott, dass wir so glimpflich davon gekommen waren und der gute Mann uns geholfen hat.

Tobias im Cabrio

Der restlichen Momente waren mit diesem Auto genial. An einem sonnigen Sonntag morgen offen durch die Hochhäuser von NYC zu fahren war ein Hochgenuss. Wir fuhren nach Long Island an den Strand, wurden mehrmals von der Polizei angehalten – es war einfach schön. Meine Parkstrafzettel habe ich natürlich nie bezahlt, da ich in Deutschland nicht mehr greifbar war. Sie kamen je nach Warnstufen in unterschiedlichen Farben. Ich hatte beim beantragen des Führerscheins ein wenig Angst, das könnte auch nach 18 Jahren noch Probleme geben (es waren immerhin damals $300), tat es aber nicht.

Jetzt fahre ich einen schicken 328xi mit beigem Echtleder und Navi. Macht sehr viel Spaß und bei meiner täglichen Fahrstrecke möchte ich definitiv nicht zurücktauschen. Im Sommer kommt aber wieder ein Cabrio her und dann fahre ich am Sonntag morgen wieder durch die Schluchten der unendlichen Möglichkeiten und winke 24 jährigen Mädchen zu (wenn die Pinky nicht hinschaut).

Kulturschock

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Bevor wir abgereist sind hat meine Firma noch ein interkulturelles Training bezahlt. Die Dame war sehr gut und hat uns vorgewarnt, dass auch wenn Pinky dort schon gelebt hat und ich dort schon ein halbes Jahr verbracht habe, sich ein Kulturschock einstellen könnte.

Nun der Umzug nach Hoboken ist seit einem Monat vorbei und langsam legt sich der immense bürokratische Akt sowie die Umzugsnachwehen. Jetzt sind noch die Dinge übrig, die dauern: Wir brauchen eine Schlafzimmerlampe, ein Regelsystem für den Schrank im Gästezimmer, das Hausnetzwerk geht noch nicht und Pinky braucht noch ihre Social Securitynummer und Ihr Arbeitsvisum…

Aber wir haben uns jetzt erstmal schön eingerichtet, alles funktioniert, sodass man gut leben und sich zu hause fühlen kann. Dann wurde mir aber erst mal unterbewußt klar, so schnell fahren wir jetzt nicht mehr nach hause. Hier ist jetzt zu Hause. Dabei gibt es hier so vieles was mich jetzt mehr aufregt, als vor 18 Jahren.

Als Pinkys Freunde sich früher über die deutschen Eigenarten aufgeregt haben, dachte schon manchmal innerlich – dann fahrt halt heim. Wenn früher im Campingurlaub das Wetter schlecht war oder das Wasser ausgefallen ist, sind wir früher heimgefahren. Man verlässt das Land des Chaos oder der Unfreundlichkeit und das Problem ist gelöst!

Geht aber manchmal nicht so einfach. Ich will auf keinen Fall wieder sofort heim, aber jetzt gilt es sich erstmal mit ein paar Dingen abzufinden.

Marx hatte Recht – der Kapitalismus ist zum Scheitern verurteilt:

  1. Gemeingut ist Keingut. Uns ist vor zwei Wochen das Wasser erstmal ausgefallen. Eine Hauptrohrleitung ist geplatzt, wodurch ganz Hoboken und Teile von Jersey City für Tage ohne Wasser waren. Das ging damals im kommunistischen Jugoslawien schneller, dass das Wasser wieder da war. In meinem ganzen Leben in Deutschland war noch nie das Wasser weg, außer der Hausmeister hat einen Filter gewechselt. Ein paar Tage später ist wieder eine Leitung geplatzt, das hat zum Glück nur Teile der Stadt betroffen und nicht uns.
  2. Stromleitungen gehen direkt an unserem Fenster vorbei. Beim nächsten Schneesturm oder Hurrikan ist der Strom weg. Das ist jetzt schon klar, warum kann man die Leitung nicht im Boden verlegen? Das Viertel hier ist nagelneu.
  3. In Arbeit ist ein Thema, dass den Kunden auf den Highways die Reifen kaputt gehen, da sie in ein Schlagloch fahren, dass os heftig ist, dass die Reifenflanken aufplatzen. Jetzt zahlen wir hier aber alle horrend Maut jeden Tag. Wo geht die Kohle eigentlich hin? Wie so kann man die Strassen nicht ein wenig früher teeren, bevor durch Risse der Belag abplatzt?
  4. Das Land hat grosse Rassenprobleme, die aus meiner Sicht daherkommen, dass sich nur Leute mit Geld eine gute Schulausbildung leisten können. Nachdem der Staat jetzt allen eine Finanzierung für eine Ausbildung garantiert und jeder an einen Kredit kommt, haben die Unis die Gebühren derart verteuert, dass sich selbst der Mittelstand auf Jahre verschuldet.
  5. Es gibt hier pro Tag ein Shooting Drama, die bekommt man in den Medien gar nicht mehr mit, und die Mehrheit der Amerikaner  möchte genau aus dem Grund selbst eine Waffe, damit man diese Angreifer selbst niederstrecken kann. Allerdings verkauft man vorher Leuten, die wegen Terrorverdacht nicht fliegen dürfen, automatische Waffen. Ein Gesetzentwurf, der das reguliert, wurde am Tag des letzten Shooting in St. Bernadino abgelehnt.

Mir ist klar, dass der Sozialismus noch viel schlimmer ist, aber vielleicht trifft man sich irgendwo in der Mitte, so eine Art Sozialstaat mit Marktwirtschaft vielleicht?

Wenn sich jemand über deutsche Politiker aufregt, der sollte gleich mal ein paar Jahre ins Ausland geschickt werden.

Vor 18 Jahren war das alles noch kein Thema, weil ich kein Public Radio gehört habe (verdirbt hier einem echt die Laune) und weil es noch kein so vielseitiges und inhaltsreiches Internet gab.

So jetzt aber genug aufgeregt und erst mal reintegrieren in die Gesellschaft. Müssen die Syrer ja jetzt in Deutschland auch machen. Ist bestimmt auch nicht einfach, aber wie mach ich das? In Bayern tritt man in den Schützenverein ein. Das wäre doch was, die Syrer alle in einen Schützenverein stecken. Erstmal gibt’s aus Sicherheitsgründen aber nur für jeden ein Luftgewehr.

Aber gerade das ist ja das schöne auch an einem Auslandsaufenthalt und aus meiner Sicht die wichtigste Erfahrung. So sehr man sich auch aufregt und windet, man muss lernen zu akzeptieren, dass Andere anders sind. Die Anderen änder sich auch nicht, wenn man sich aufregt. Integration heißt Toleranz und das funktioniert nur, wenn beide Seiten sich tolerieren.

So jetzt zu unserer Integration. Pinky ist schon voll beschäftigt. Das war in München so und ist hier so, die Freizeit ist meistens verplant. Sie ist jetzt in so einer Art Hyper-Gamelan-Fieber und ich freue mich, dass sie so große Fortschritte macht. Bald tritt sie im Metropolian Museum auf.

Meinen Fotoverein von damals gibt es immer noch, aber jetzt wohnen wir hier in Hoboken so weit weg und irgendwie bin ich deren Bildsprache entwachsen.

http://www.ridgewoodcameraclub.net/index.php

Ich werde mich in Manhattan nach einer Fotogruppe umsehen, jetzt wo wir so nah an der Stadt wohnen.

Oben seht Ihr die ersten Foto-Gehversuche vom letzten Samstag aus dieser herrlichen Stadt. Die Wintersonne taucht die Stadt in eine Art Bühnenlicht und man kann so sehr schön Strassenszenen einfangen.

Die nächsten Posts werden eher bilderlastig. Ich habe jetzt die alten Dias von damals auf dem Tisch und der Scanner funktioniert inzwischen.

 

 

Der Schwabe im Kapitalismus und die Inder

Man wird ja leicht mitgerissen im Wahn die neueste Technologie zu besitzen. Ist ja auch sehr menschlich und die Autoindustrie, von der ich ja lebe, profitiert im grossen Stil von diesem Drang. Nachdem ich in Deutschland meinen geliebten Fernseher und AV-Receiver für wenig Geld weggegeben hatte (ich hoffe Annette hat viel Freude beim Fernsehschauen), blutete mein Schwabenherz. Aber ein Abschied ist natürlich immer auch ein neuer Anfang und sobald wir hier ankamen, habe ich mich nach einem neuen Fernseher umgesehen.

Er sollte sehr preisgünstig sein, denn nach 3 Jahren muss er wieder weg, aber schön muss er halt auch sein und ein gutes Bild haben. Also rein zum Best-Buy und Fernseher ansehen – günstig war da nicht viel. Vorjahrsmodelle gab es kaum noch, dafür den neuesten Trend: 4k-Fernseher. Die sind doppelt so scharf wie unser alter HD-Fernseher. Auch bei den grossen 65″-Fernseher sieht man kaum Pixel. Supertoll, aber eigentlich nicht so wichtig, sagt der Verkäufer, die neuen OLED-Fernseher mit neuer LED-Technik haben doppelt so viel Kontrast wie herkömmliche LED-Screens und sind der Renner. Gibt’s von LG und die können auch 240V, damit kann man sie auch wieder nach Deutschland mitnehmen. Das neueste Modell kostet $3000 und ist um $1000 reduziert. Uh – das Bild sah so gut aus und es wäre ja auch eine langfristige Investition, wenn wir den wieder mit heim nehmen können. So standen ich und einige andere Männer staunend vor dem Fernseher und wollten das Ding unbedingt haben. Ich war überzeugt, das brauche ich, ansonsten kann man nicht mehr richtig fernsehen. Und da hatte er mich, der Kapitalismus, ich war bereit $3000 für einen Fernseher auszugeben – Wahnsinn.

Als guter Schwabe liest man dann Tests und Internetforen. Da gab es dann völlig verwirrende Aussagen zu neuen HDMi Standards, dass PAL und NTSC doch noch relevant sind und man einen Fernseher doch nicht so einfach mit heim nach Deutschland nehmen kann. Da wurde auf Webseiten verwiesen, die dann Fernseher aus Indien importieren, die können jedes Format. Die gab es allerdings dann nicht in OLED.

Mein indischer Kollege riet mir davon ab, einen Fernseher aus Indien zu importieren und fragte mich warum nicht einfach einen Gebrauchten kaufe, so wie ich meinen verkauft habe. $3000 für einen Fernseher, der in drei Jahren noch $700 wert ist, wirklich? Bei Craig’s List gäbe es immer günstige Angebote und da findet man immer was. Und er hatte recht, der kleine Inder, denn da gab es super Schnäppchen. Bei den meisten war ich schon zu spät dran, aber bei einem hat es dann geklappt. Ein Inder aus Jersey City hat seinen 55″ Zoll Samsung F350 Fernseher verkauft, sechs Monate alt, noch mit Originalverpackungen und der Schutzfolie drauf. Ich frage nochmal nach: „mit der Schutzfolie noch drauf?“ Jaja der Fernseher ist wie neu. Ich frage meinen Kollegen-Inder: „kann es sein, dass der 6 Monate die Schutzfolie daraufgelassen hat?“ ja, ja sagt der, das machen die Inder gerne, die sind sehr vorsichtig mit ihren Sachen. Ich denke ich mir: „Echt die Inder? Das Land sieht doch eher so ein wenig grattlig aus…“

Von der Firma einen 7er ausgeliehen, damit der Fernseher auch reinpasst und ab nach Jersey City. Der Inder war sehr nervös, ob wir den Fernseher wirklich holen und wohnte mit seiner Frau und deren Eltern in einem kleinem Apartment. Der Fernseher war für die Eltern gedacht gewesen, weil die kein Englisch sprechen und viel zuhause waren. Er war riesig und in einem wunderbaren Zustand, die Folien waren wirklich noch drauf. Daheim habe ich dran gerochen, ob er nach Curry reicht, aber nix – er roch nur ein wenig nach Plastik. Bei der Geldübergabe von ganzen $550 zählte er erst das Geld, dann nochmal die Frau und dann steckte es der Vater ein. Warum das der Vater bekommen hat ist mir immer noch ein Rätsel, aber egal, Pink und ich waren total begeistert. So viel Fernseher, für so wenig Geld war unglaublich! Wir haben uns rausgewunden aus dem System, wir Schwaben, und wir waren stolz darauf. Die Inder ziehen nach Texas und konnten den Fernseher nicht im Flugzeug mitnehmen.

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Bis zum endgültigen Umzug nach Hoboken bleiben die Folien noch drauf. Aber dann kommt der Moment der Enthüllung und ich ziehe sie ab – ganz genüsslich.

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Wer in Vorbereitung auf die Weihnachtszeit noch mehr übers Sparen lernen möchte und wie man das System in Wanken bringen kann  – hier ein empfohlenes Schwabenvideo von Nathalie:

Herbst

Neben dem Wiederbeleben von Erinnerungen treten jetzt immer mehr neue Erlebnisse in den Vordergrund. In meiner kurzen Zeit hier als Praktikant, habe ich hier nie den Herbst erlebt. Das ist hier eine der schönsten Jahreszeiten, da NJ so grün und reich an altem Baumbestand ist.

Man unterstellt den Amerikanern ja oft, dass sie sich von der Natur abgewandt haben und sich nur noch auf Shopping Malls, Fernsehen und Autofahren reduziert haben. Das stimmt aber nicht, denn die Amerikaner haben ein sehr guten Sinn für die Natur. Die Häuser der ganzen Gegend hier sind in altem Baumbestand integriert, sodass man in einem Luftbild die Besiedlung vollständig gar nicht erfassen kann. Die Bäume werfen viel Schatten, machen Dreck und stürzen potentiell genauso oft um wie in Deutschland, allerdings käme hier niemand auf die Idee sein Grundstück zu roden. So verwandelt sich die Gegend hier langsam in bunte Herbstfarben und wir geniessen in unserer Übergangswohnung hier draussen in NJ das schöne Klima dieser Jahreszeit.

1997 konnte ich damals einen knallroten frisch auf den Markt gekommen Z3 übers Wochenende fahren. Den fuhr ich mit Tobias dann im Hinterland spazieren, um den überfüllten Highways des Grossraums NY zu entkommen. Ich war damals überrascht wie schnell man hier in schönster Natur war.

Wir machen hier aus unserer Vorstadtzeit in Westwood das Beste und sind dieses Wochenende genau da wieder hingefahren, um zu wandern und den Indian Summer zu geniessen. Wir fuhren in den Bear Mountain National Park.IMG_1414[1]Natürlich waren wir hier nicht die einzigen und auf der Hauptroute zum Bear Montain Tower Hill, waren wir mit Menschenmassen unterwegs, da staunt Andechs selbst im Sommer zur Hauptsaison. Ganz oben hat man einen herrlichen Blick auf die grünen Laubwälder der Gegend und man sieht wie hier auf dem Bild im Hintergrund die Skyline von Manhattan.

Das Laub beginnt sich gerade zu färben und wir konnten einige schöne Bilder mit unseren iPhones machen.

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Der Weg hinauf war anfänglich durchaus anstrengend und es blieben einige untrainierte Amerikaner auf der Strecke. Allerdings muss man sagen, dass es hier im Grossraum NY wenig wirklich dicke, unsportliche Leute gibt. Viele gingen hier schnellen Schrittes auf den kleinen Gipfel.

Nach unseren 3 stündigen Tour bekamen wir Hunger und fuhren nach Norden, um einzukehren. Was ich nicht wusste war, dass wir auf die Elitesoldaten-Ausblidungsstelle der US-Army zusteuerten. So kamen wir in West-Point an und verstanden die Soldatenstatuen und alten Panzer nicht, die hier zur Zierde aufgestellt wurden. Das Städtchen ist sehr reizvoll und alt, aber wohl sehr von der Armee geprägt. Pinky hat mir strikt untersagt hier politische Diskussionen anzuzetteln. Hier hätte jeder eine Waffe zu hause, schaut Fox-News und wählt die Republikaner. An Nationalismus mangelt es den Amerikanern ja eh nicht. Es hängt überall eine Flagge herum, ob es passend ist oder nicht. Bemalte Häuser habe ich in dieser Form allerdings nur hier gesehen.

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Heute sind wir mit Chad und Paula zum Äpfelpflücken nochmals auf Land gefahren und haben einen kleinen Spaziergang gemacht. Diesmal waren wir mit Automassen unterwegs und übten uns geduldig in Staus zu stehen.

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Die Natur ist hier in dem Nationalpark sich komplett selbst überlassen und vermittelt einen guten Eindruck, wie die Gegend wohl aussah, bevor die weissen Siedler hier eintrafen.

Die bunte Stadt besuchen wir später wieder, das nächste Wochenende wird wohl auch den bunten Blättern gewidmet sein. Die Stadt läuft uns nicht davon..

Die Ankunft

Die eher anstrengende Ankunft hatte natürlich einen grossen Vorteil: es konnte nur besser werden. Ich hatte damals mehr Respekt vor den Schritt ins Unbekannte wie heute, wo ich mit einem grossartigen, dreijaehrigen Revival rechne.

Unsere jetztige Ankunft verlief dagegen wie schon beschrieben sehr angenehm. Ich wusste halt jetzt schon auf was man achten muss und hatte mehr Rückhalt durch die Firma.

1997 begann dann schnell eine Zeit der schnellen, kleinen Alltagsherausforderungen und der ersten Erfolge. Wieviel Oz sind 100g? Wie mache ich mich an der Wursttheke verstaendlich? Was von dem kuenstlich aussehenden Zeug mag man eigentlich Essen? Ich habe damals nur Prosciutto gekauft, weil der Rest so eklig war.

Mein English war grauenhaft. Erstens, weil ich zweimal deswegen in der Schule durchgefallen bin, und zweitens, weil wir in der Schule alles moegliche an Grammatik gelernt haben- aber Konversation haben wir nie trainiert. Es gingen jeden Tag schneller voran, als frueher in einem halben Jahr Englischunterricht.

Die groesste Herausforderung damals war das Autofahren. Als ich das erstemal alleine nach Mannhattan gefahren bin, schlug mir der Puls bis zum Hals. In dem Gewirr aus Interstates, Highways und Bruecken, hat man sich schnell verfahren. Das ist selbst heute mit Navi noch eine ordentliche Herausforderung. Es ist mir heute ein Raetsel wie ich das ohne Beifahrer, nur mit Kartenmaterial geschafft habe. An dieser Stelle zolle ich meinem 24 jaehrigen Erinnerungs-Ich Respekt, denn die Nerven haette ich heute nicht mehr. Sich mal schnell zu verfahren und zu versuchen in den Bronx oder Harlem den Highway zu wechseln, war nicht so einfach. Oft gab es Abfahrten, aber keine Auffahrt mehr. Dann stehst dann mit dem NJ Kennzeichen in der Bronx und versuchst Dich in der Karte zurechtzufinden. Heute ist NYC deutlich sicherer als damals, selbst wenn man da landet ist es halb so wild.

2015 ist vieles einfacher, weil ich nicht mehr alleine bin. Pinky dabei zu haben, ist eine ganz andere Erfahrung und ein grosser Gewinn. Mit Navi und Beifahrer ist es zwar immer noch eine Herausforderung in die Stadt zu fahren, aber es geht schon deutlich besser.

Die ersten Wochen in 1997 waren  schon ein wenig einsam. Jetzt hat man immer jemand um sich, der einen aehnlichen Geschmack und Sinn fuer die Dinge hat, und mit dem man die Erlebnisse teilen kann.

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Am Sonntag sind wir dann gemuetlich nach Manhattan gefahren, um im Central Park spazieren zu gehen. Und wie damals war es ein wirklicher Gaensehautmoment ueber George Washington Bridge zu fahren und die Skyline vor einem zu sehen. Wir hatten einen herrlichen Tag im Park und in der Stadt. So organisch NYC waechst so wild und schoen ist dieser Park. Man endeckt hier jedesmal eine neue Ecke und die Unterhaltung von Strassenkuenstlern hat dort TV-Niveau.

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Nach dem Parkspaziergang gingen wir in einer kleinen Suppenkueche essen, schlueften koestlichen Cappucino in einem kleinen Caffee neben an auf der Columbus Ave. Kauften in einem Tante Emma Laden fuer gluteinfreies Essen Keckse und Bagels fuer Pinky und zogen gemuetlich weiter, bis wir alte Freunde aus Muenchen zum Essen trafen.

Da war es dann wieder dieses alte, schoene NY-Gefuehl, das Entspannung und Erleben so wunderbar vereint. Die Stadt zieht einen so in Ihren Bann, dass man  in seiner Faszination ganz im Moment lebt. Nichts zaehlt ausser hier zu sein und dem Teiben dieses Kosmos zuzusehen.

Billig ist sie nicht die Stadt, aber das macht nichts. Ich bin mit dem heutigen Tag endlich in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft angekommen: es kam meine Social Security Number und meine Kreditkarte an. Ich habe noch nie ueber eine Kreditkarte gefreut – jetzt schon. Ohne eine Kreditkarte, wie gesagt ist man hier nicht Teil des kapitalistischen Systems und damit haben mich die Amerikaner schon am Wickel. Jetzt wird erstmal geshoped. TV, AVR, Staubsauger, Toaster, Wasserkocher – mit Rabattkarten und Cashback auf die Kreditkarte. Um mit diesem Cashback wieder zu shoppen…

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Der Abschied

1997 war der Abschied und vor allem die Vorbereitung für meinen Auslandsaufenthalt ein Spaziergang. Das Visum habe ich vorher über eine Organisation beantragt und ohne grosse Formalitäten bekommen. Meine Familie freute sich für mich über die Chance mal was von der Welt zu sehen. Ein halbes Jahr Abwesenheit war für mich und mein Umfeld nicht mit einem groesserem Abschiedsschmerz verbunden.

Die Vorbereitung bestand hauptsächlich darin, einen Schalenkoffer aus Kunststoff zu beschaffen. Um ihn am Gepäckband besser unterscheiden zu können, gab es einen bunten Aufkleber drauf und damit er beim Verladen nicht aufgeht noch ein Band drum rum. Das war damals ganz wichtig.

Ich feierte in einer alten Zollhütte am Lech mit Freunden einen feuchtfröhlichen Abschied. Zwei dieser Freunde waren auch bei den jetzigen Verabschiedungen noch dabei: die Susi und der Axi. Es ist schön so beständige Freundschaften zu haben, die einen das Leben über begleiten. Ich hoffe Ihr besucht mich mal hier in NJ.

In 2015 waren beides die Vorbereitungen und die Verabschiedungen deutlich intensiver. In unserem administrativen Leben ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Bankkonto wechseln, Aktien nach USA transferieren und Depot schliessen, privat krankenversichern, elektronische Geräte verkaufen, Keller auflösen, Wohnung ausmisten, alles Kündigen was man mal abgeschlossen hat und in USA in anderer Form wieder eröffnen… Unser LOP-Liste hat 150 Punkte und ist noch nicht abgeschlossen. Der administrative Aufwand ist gigantisch und will auch hier in den USA kein Ende nehmen.

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Manche Sachen sind hier auch völlig diametral zu Deutschland. In Deutschland gibt es vergleichsweise wenig Privatklagen auf Schadensersatz. Dafür hat jeder eine Haftpflichtversicherung, falls das doch mal passiert, einen persönlichen Bankrott abzusichern. In den USA kann man verklagt werden, wenn du jemand einen heissen Kaffee drüber schüttest, aber eine Haftpflicht hat kaum einer.

In den USA bekommst du keinen Mobilfunkvertrag, wenn du nicht schon mal Schulden gemacht hast. Das Kreditrating bestimmt deine Teilnahme an der Konsumgesellschaft. Einen Fernseher werden wir deshalb nicht bar bezahlen, sondern schön in Raten abstottern. Dann verbessert sich das Kreditrating deutlich. Wer nur eine Kreditkarte besitzt, ist verdächtig. Je mehr Karten man hat, des besser das Rating und desto leichter kommt an weiteres Geld und Verträge. Wir springen jetzt bei jeder Amtshandlung mit einem Zettel von meinem Arbeitgeber rum, auf dem mein Gehalt steht und der bezeugt, dass ich seit Jahren schon in Lohn und Brot stehe. Das wirkt in Deutschland Wunder, hier interessiert das nur die Bank bei der Eröffnung eines Kontos. Es zählt nicht wieviel Einkommen man hat, sondern wie regelmäßig man seine Schuldner bedient. Als Schwabe mache ich aber nur ungern Schulden…

Die Schufa in Deutschland bewertet deine Einkünfte und deine Ausgaben sowie deine Kreditbedienung. Es zählt bei einem Kredit vor allem dein Barvermögen und Dein Einkommen. Macht für mich mehr Sinn.

Aber genug vom Konsum. Sich für drei Jahre zu verabschieden war schon deutlich schwerer als damals. Es ist nicht klar, ob ich meinen Grossvater wieder sehe und wer in drei Jahren von unseren Freunden noch in Muenchen ist. Meine Familie wird sich ohne mich weiterentwickeln und wir tun das gleich hier, ohne dass sie live dabei sind. Dafür hoffen wir auf intensivere Zeiten bei Besuchen hier in NJ und wenn wir nach Hause kommen. Man bewertet das was man hat bewusster, wenn man Abstand dazu hat.

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Wie schon ’97 haben uns meine guten Eltern zum Flughafen gebracht und uns verabschiedet. Diesmal waren wir exakt getimed am Flughafen, sodass wir nicht mal Zeit für die Lounge hatten. Es wurde mir erst so richtig klar, dass wir jetzt wirklich weg sind, als der Flieger über dem Atlantik war. Der Flug war direkt und super angenehm. Wir wurden von einem Fahrer abgeholt und zu BMW gebracht. Dort wartete ein 435i auf uns und ein schönes Appartement bis wir nach Hoboken ziehen können.

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’97 gab es erstmal einen Zwischenstopp in Philadelphia. Die Portionen im Flieger waren klein und ich hatte erstmal Hunger. An einem Kiosk gab es ein Turkey Sandwich. Als ich dann ein labbriges Weissbrot mit Putenschinken bekam, war ich schwer enttäuscht. Ich hatte hinter dieser Bezeichnung einen Doener vermutet:) Na gut dafür gab es am Automaten Bier! Ich holte mir die Dose „Root beer“ und Habe dieses uebersuesste Zeug fast wieder ausgespuckt. Der erste Geschmack von Amerika war furchtbar.

Mit einem winzigen Propellerflieger flog ich dann in ordentlichen Turbulenzen nach NYC. Am Flughafen in La Gardia wartete ich ewig auf den Praktikanten, der mich abholen sollte. Ich dachte schon, der Typ, den ich nur vom Telefon kannte, kommt nicht mehr. Als er dann nach zweieinhalb Stunden auftauchte, fuhren wir erstmal durch Manhattan.

So musste die dritte Welt aussehen: Zeitungen wehten durch Strassen, die mit Schlaglöchern übersät waren. Es war dreckig und Penner lagen in dunklen Strassenecken. Wir holten noch Freunde von ihm aus einer Kneipe ab und fuhren dann in die grüne Vorstadt nach New Jersey, wo ich nur noch schlafen wollte. Durfte ich aber nicht, meinten alle, wegen dem Jetlag. Durchhalten, sonst komme ich nie in dieser Zeitzone an. Wenn ich aber eines von daheim nicht kannte, dann war es Schlafmangel.

Schliesslich bin ich dann doch schlafen gegangen, um in einem neuen Lebensabschnitt aufzuwachen.

Prolog

Im Frühjahr 1997 trete ich mit 24 Jahren meine erste Flugreise in meinem Leben an. Ich bin in einer Kleinstadt bei Augsburg glücklich in einem gut bürgerlichen Haus aufgewachsen. Mir hat es an nichts gemangelt, aber eine Flugreise war damals mit der ganzen Familie ausserhalb unseres Budgets. Darum ist dies meine erste Reise aus Europa hinaus.

Zum Flughafen in Muenchen ist meine Mutter, mein Vater und mein Grossvater mitgekommen. Immerhin fliege ich für 6 Monate alleine in die USA und ein Flug ist noch etwas besonderes. Es ist mein erster grosser Schritt alleine in ein völlig unbekanntes Terrain.

Das sechsmonatige Auslandpraktikum in New Jersey, eine halbe Stunde von New York City entfernt, habe ich mir in München bei einer Automobilfirma erkämpft. Ich habe keine Ahnung was mich dort erwartet, kenne die USA und NYC nur wage aus Filmen. Ich mache das, weil ich in dieser Firma fest angestellt werden möchte und ich will etwas erleben, bevor es ins Berufsleben geht.

Laut Reisebüro sollen wir drei Stunden vor einem internationalen Abflug am Flughafen sein. Wir sind sicherheitshalber vier Stunden vorher da. Essen gehen wir nicht, hier ist es zu teuer und ich bekomme ja dann etwas im Flieger. So warten wir geduldig Stunden auf einer Bank bis ich einchecken kann und durch die Passkontrolle gehe.

US Abschied 1997

Als das Flugzeug dann endlich abhebt ist mir nicht bewusst was für ein Schritt das für mich sein wird. Ich stelle mir NYC so ähnlich wie Dallas aus der Fernsehserie vor: unpersönliche Bürobauten, sowie in Muenchen halt die grossen Häuser sind; kulturell ziemlich einseitig, sowie die Amerikaner halt sind. Mein Englisch ist denkbar schlecht. Ich bin deswegen zweimal in der Schule durchgefallen – hoffentlich kann ich mich verständlich machen.

Das kommende halbe Jahr wird mein Leben grundlegend verändern. Es wird einer der schönsten Lebensabschnitte und es wird ein halbes Jahr in dem ich gefühlt mehr erlebe, als die 24 Jahre zuvor. Ich suche danach immer wieder internationale Kontakte, kann fliessend Englisch, treffe hier auf die Stadt meiner Träume, heirate eine Frau, die in Amerika aufgewachsen ist, bereise mit einem anderen Blickwinkel die Welt, entdecke einen Sinn für Kunst in mir, mache wichtige Freunde fürs Leben und fühle mich zum ersten Mal richtig deutsch.

Als ich nach sechs Monaten gezwungener Massen wieder im Flieger nach Deutschland sitze. Gebe ich mir ein Versprechen: „Ich komme hier wieder zurück, komme was wolle!“

Es kam einiges. Aber nach 18 Jahren sitze ich hier mit Jetlag auf der Couch in NJ und habe das Versprechen eingelöst. Es ist ein gewagtes Unterfangen, der 42 jährige trifft hier an jeder Ecke auf den Praktikanten mit 24 (oder wie er in seiner Erinnerung war). Es kann hier vieles an Erinnerung zu Bruch gehen, viel relativiert werden und ich komme jetzt nicht wie das letzte Mal völlig frei von Erwartungen an.

Aber vor mir liegt zusammen mit meiner Frau wieder ein weisses Blatt Papier und eine halbe Stunde von hier die bunteste Stadt der Welt.

Dieser Blog, und ich hoffe ich komme regelmäßig dazu, wird diesen Prozess des Erinnerns und Neuerlebens begleiten. Mal sehen was diesmal hier entsteht.