Mit einem vergangenem Feuerwerk ins neue Jahr

NYC1997 39In der Pause zwischen den Jahren beschäftige ich mich inzwischen aus Tradition mit den IT-Problemen zuhause. Meine Eltern lösen ihre zum Glück selbständig und jetzt bin ich ja auch zu weit weg:) Dieses Jahr habe ich mit der Installation von Photoshop beschäftig und dann meine alten Dias eingescannt.

Untitled (3) (2) copyNun kann ich auch beginnen, die alten Geschichten von damals zu erzählen und fotografisch zu untermalen. Als ich 1997 hier ankam und stellte mir mein Vormieter, meiner neuen Einliegerwohnung in Westwood, NJ, erstmal mein Auto vor. Ich hatte das 80iger Jahre Vehikel schon in Deutschland für $1500 gekauft und nur auf einem Bild gesehen. Sah super aus; es war ein rotes Cabrio mit weissem Verdeck und weissen Kunstoffledersitzen. Deutlich cooler als mein goldener Opel Ancona C in Königsbrunn.

Die Realität sah dann etwas anders aus. Erstmal flickte der Vorpraktikant den Ansaugtrakt mit Alufolie, was mich sehr missmutig werden liess. Ich wollte das Auto schon zurückgeben, denn der Lack war ebenfalls stumpf und das Verdeck war undicht. Ich behielt es aber und das war gut so. So sehr ich auch all die dicken und schicken BMWs liebe, die ich hier fahren darf, kein Auto wird mir so viel Freude und Thrill bieten wie dieses. Es war mein Gotham-Mobil: es hatte wunderbare Eigenschaften, statt dass der Reifen in einem Schlagloch nachgab, hat sich die Karosserie so verwunden, dass die Türen im geschlossenem Zustand quietschten. Das Dach war zwar undicht, aber dafür war hinten rechts das Bodenblech durchgerostet, wodurch das Wasser sofort abfloss. Beim Einsteigen hinderte der Teppich einem am Durchbrechen zur Strasse und gab einem eine Art Hängemattenfeeling beim Mitfahren. Und schon viele haben am Time Square eine Show abzogen, aber als mir mit Freunden hier der Auspuff durchgerostet runterfiel und kreischend Funken am Boden zog, blockierte ich eine Fahrspur, zog mein Hemd aus, robbte im Feinrippunterhemdt unter das Auto und band den Auspuff mit einem Stück Draht wieder nach oben. Alle Touristenkameras waren auf mich gerichtet, wie ich da schmutzig unterm Auto wieder auskroch und stolz verkündetet: „I fixed it!“

Im Hollandtunnel wurde ich angesprochen, dass mein Hinterrad bedenklich Luft verliert. Ich schaffte es bis NJ, aber beim Aufpumpen ging das Ventil kaputt und ich hatte gar keine Luft mehr im Reifen. Das waren Abenteuer. Ich bin dann glaube ich mit einem Reserve Reifen weiter gefahren.

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Ein Erlebnis war aber dann doch ein bisschen sehr aufregend: Tobias und ich fuhren mit einer Freundin in der alten Mühle nach Boston. Diese wohnte in Manhattan und musste auf dem Heimweg bevor wir uns in unseren Vorort nach NJ zur Ruhe betteten nach Hause gebracht werden. Es war schon spät in der Nacht und der Tank war schon bedenklich leer als wir sie absetzten, aber Tanken war in NJ deutlich billiger und wir wollten in NY nicht mehr nach einer Tanke suchen. Der Zeiger war zwar schon auf Null gesunken, die gelbe Reserveleuchte war aber noch nicht angegangen. Die kam eigentlich sonst schon bei 20% Tankfüllung. Mit 24 ist man noch Optimist und ich war der Meinung das reicht noch bis über die George Washington Bridge.

Hat es aber nicht – mitten auf den Hudson River Drive, einem dreispurigen Highway am Rande der City, ging uns dann auf Höhe Harlem der Sprit aus. In meiner Panik habe ich bei meinem Dreigangautomaten versucht die Kupplung zu drücken. Dies führte zu einer Vollbremsung, da natürlich voll auf Bremspedal tappte, wobei uns der Hintermann fast draufgefahren wäre. Der hat sich wahnsinnig aufgeregt und uns beschimpft, was wir für Vollidioten wären. Wir erklärten ihm verzweifelt unsere Lage und der gute Mann ist dann mit Tobi Sprit holen gefahren.

Da stand ich nun allein auf dem Highway ohne Standspur, habe das Licht ausgemacht und nur noch den Warnblinker eingeschaltet, denn die Batterie war auch nicht mehr die Beste. Wir standen in einer Kurve und der Verkehr war dicht und schnell, sodass ich mich aus Sicherheitsgründen hinter einer Leitplanke verbarrikadierte. Warndreieck gab es keines und Winken half bei der Dunkelheit auch nicht, um den Verkehr zu warnen. Es bildete sich zum Glück schnell ein Stau, sodass nicht mehr so gefährlich war. Tobias und der Helfer kam mit einer großen Wasserflasche voll Benzin an, allerdings ohne Einfüllstutzen. Wie bekommt man ohne Rüssel Benzin in den Tank? In der Not wurde ich erfinderisch und machte mit einer alten Zeitung einen Trichter und stieß mit dem Zeigefinger das Tankventil durch. 80% landeten im Tank, 20% liefen über meinen Arm und die Karosse. Zum Glück entzündete sich nix am Auspuff…

Wir waren dann echt mit den Nerven fertig und wollten nur noch weiter. Wir orgelten einmal, zweimal,… zehnmal – nix ging und die Batterie war schließlich am Ende. Jetzt wurde es echt eng. Was wenn wir hier nicht mehr wegkommen? Ich gab der leeren Batterie eine Pause und startete noch einmal. Das alte Chrysler LeBaron Cabrio sprang beim letztmöglichen Startversuch an und wir fuhren auf einen Adrenalin High über die George Washington Bridge in Richtung Tankstelle. Am Rande des Highways hatte die Ironie des Schicksals ein Schild aufgestellt auf dem stand: „Don’t Drive to the last Drop“. Stimmt wirklich, fragt den Tobias. Wir ließen das Auto laufen, tankten voll und dankten dem lieben Gott, dass wir so glimpflich davon gekommen waren und der gute Mann uns geholfen hat.

Tobias im Cabrio

Der restlichen Momente waren mit diesem Auto genial. An einem sonnigen Sonntag morgen offen durch die Hochhäuser von NYC zu fahren war ein Hochgenuss. Wir fuhren nach Long Island an den Strand, wurden mehrmals von der Polizei angehalten – es war einfach schön. Meine Parkstrafzettel habe ich natürlich nie bezahlt, da ich in Deutschland nicht mehr greifbar war. Sie kamen je nach Warnstufen in unterschiedlichen Farben. Ich hatte beim beantragen des Führerscheins ein wenig Angst, das könnte auch nach 18 Jahren noch Probleme geben (es waren immerhin damals $300), tat es aber nicht.

Jetzt fahre ich einen schicken 328xi mit beigem Echtleder und Navi. Macht sehr viel Spaß und bei meiner täglichen Fahrstrecke möchte ich definitiv nicht zurücktauschen. Im Sommer kommt aber wieder ein Cabrio her und dann fahre ich am Sonntag morgen wieder durch die Schluchten der unendlichen Möglichkeiten und winke 24 jährigen Mädchen zu (wenn die Pinky nicht hinschaut).

2 Gedanken zu “Mit einem vergangenem Feuerwerk ins neue Jahr

  1. Alex, als ich gerade die Beschreibung Deiner heldenhaften Autoreparatur am Times Square las fiel mir ein, dass Du vermutlich – so wie eine Facebook-Freundin – ebenfalls sehr glücklich darüber bist über 40 zu sein und damit zu der Generation zu gehören, deren Jugendsünden nicht alle in sozialen Netzwerken dokumentiert sind. Richtig?

    Happy New Year Euch beiden.

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