Der Schwabe im Kapitalismus und die Inder

Man wird ja leicht mitgerissen im Wahn die neueste Technologie zu besitzen. Ist ja auch sehr menschlich und die Autoindustrie, von der ich ja lebe, profitiert im grossen Stil von diesem Drang. Nachdem ich in Deutschland meinen geliebten Fernseher und AV-Receiver für wenig Geld weggegeben hatte (ich hoffe Annette hat viel Freude beim Fernsehschauen), blutete mein Schwabenherz. Aber ein Abschied ist natürlich immer auch ein neuer Anfang und sobald wir hier ankamen, habe ich mich nach einem neuen Fernseher umgesehen.

Er sollte sehr preisgünstig sein, denn nach 3 Jahren muss er wieder weg, aber schön muss er halt auch sein und ein gutes Bild haben. Also rein zum Best-Buy und Fernseher ansehen – günstig war da nicht viel. Vorjahrsmodelle gab es kaum noch, dafür den neuesten Trend: 4k-Fernseher. Die sind doppelt so scharf wie unser alter HD-Fernseher. Auch bei den grossen 65″-Fernseher sieht man kaum Pixel. Supertoll, aber eigentlich nicht so wichtig, sagt der Verkäufer, die neuen OLED-Fernseher mit neuer LED-Technik haben doppelt so viel Kontrast wie herkömmliche LED-Screens und sind der Renner. Gibt’s von LG und die können auch 240V, damit kann man sie auch wieder nach Deutschland mitnehmen. Das neueste Modell kostet $3000 und ist um $1000 reduziert. Uh – das Bild sah so gut aus und es wäre ja auch eine langfristige Investition, wenn wir den wieder mit heim nehmen können. So standen ich und einige andere Männer staunend vor dem Fernseher und wollten das Ding unbedingt haben. Ich war überzeugt, das brauche ich, ansonsten kann man nicht mehr richtig fernsehen. Und da hatte er mich, der Kapitalismus, ich war bereit $3000 für einen Fernseher auszugeben – Wahnsinn.

Als guter Schwabe liest man dann Tests und Internetforen. Da gab es dann völlig verwirrende Aussagen zu neuen HDMi Standards, dass PAL und NTSC doch noch relevant sind und man einen Fernseher doch nicht so einfach mit heim nach Deutschland nehmen kann. Da wurde auf Webseiten verwiesen, die dann Fernseher aus Indien importieren, die können jedes Format. Die gab es allerdings dann nicht in OLED.

Mein indischer Kollege riet mir davon ab, einen Fernseher aus Indien zu importieren und fragte mich warum nicht einfach einen Gebrauchten kaufe, so wie ich meinen verkauft habe. $3000 für einen Fernseher, der in drei Jahren noch $700 wert ist, wirklich? Bei Craig’s List gäbe es immer günstige Angebote und da findet man immer was. Und er hatte recht, der kleine Inder, denn da gab es super Schnäppchen. Bei den meisten war ich schon zu spät dran, aber bei einem hat es dann geklappt. Ein Inder aus Jersey City hat seinen 55″ Zoll Samsung F350 Fernseher verkauft, sechs Monate alt, noch mit Originalverpackungen und der Schutzfolie drauf. Ich frage nochmal nach: „mit der Schutzfolie noch drauf?“ Jaja der Fernseher ist wie neu. Ich frage meinen Kollegen-Inder: „kann es sein, dass der 6 Monate die Schutzfolie daraufgelassen hat?“ ja, ja sagt der, das machen die Inder gerne, die sind sehr vorsichtig mit ihren Sachen. Ich denke ich mir: „Echt die Inder? Das Land sieht doch eher so ein wenig grattlig aus…“

Von der Firma einen 7er ausgeliehen, damit der Fernseher auch reinpasst und ab nach Jersey City. Der Inder war sehr nervös, ob wir den Fernseher wirklich holen und wohnte mit seiner Frau und deren Eltern in einem kleinem Apartment. Der Fernseher war für die Eltern gedacht gewesen, weil die kein Englisch sprechen und viel zuhause waren. Er war riesig und in einem wunderbaren Zustand, die Folien waren wirklich noch drauf. Daheim habe ich dran gerochen, ob er nach Curry reicht, aber nix – er roch nur ein wenig nach Plastik. Bei der Geldübergabe von ganzen $550 zählte er erst das Geld, dann nochmal die Frau und dann steckte es der Vater ein. Warum das der Vater bekommen hat ist mir immer noch ein Rätsel, aber egal, Pink und ich waren total begeistert. So viel Fernseher, für so wenig Geld war unglaublich! Wir haben uns rausgewunden aus dem System, wir Schwaben, und wir waren stolz darauf. Die Inder ziehen nach Texas und konnten den Fernseher nicht im Flugzeug mitnehmen.

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Bis zum endgültigen Umzug nach Hoboken bleiben die Folien noch drauf. Aber dann kommt der Moment der Enthüllung und ich ziehe sie ab – ganz genüsslich.

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Wer in Vorbereitung auf die Weihnachtszeit noch mehr übers Sparen lernen möchte und wie man das System in Wanken bringen kann  – hier ein empfohlenes Schwabenvideo von Nathalie:

2 Gedanken zu “Der Schwabe im Kapitalismus und die Inder

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